Erlebnisse im Winter 1944-45 in unserem Keller

Schankstor

Otmar Grewenig hat uns die Aufzeichnungen seines Großvaters Peter Grewenig (1881- 1963) vom Ende des zweiten Weltkrieges zur Verfügung gestellt. Es beginnt mit:

Da diese Schrift nur noch wenigen Lesern bekannt ist, hat Otmar Grewenig die Aufzeichnung aus der altdeutschen Schrift „Sütterlin“ in die für uns heute übliche lateinische Schrift übertragen. Dieser übertragene Text ist untenstehend wiedergegeben. Die Originalaufzeichnung kann ebenfalls noch eingesehen werden.

Dies ist ein für Welschbillig wohl einmaliges Zeitdokument aus der Kriegszeit. Herzlichen Dank an Otmar Grewenig zur Übertragung sowie auch zur freundlichen Genehmigung, diesen Text hier zu veröffentlichen.

Die Überschriften der einzelnen Abschnitte, wie im nachfolgenden Inhaltsverzeichnis aufgeführt, wurden von den Heimatfreunden eingefügt und sind nicht Bestandteil der Aufzeichnungen von Peter Grewenig.

Inhalt:
Der Gewölbekeller
Weihnachten 1944
Neujahrstag 1945
Die Amerikaner kommen
Das dritte Reich

Der Gewölbekeller

Schon im Sommer und Nachsommer mußten wir im Hause und die ganze Nachbarschaft bei Fliegergefahr in unserm unterm Hause gewölbten Keller Schutz nehmen. Der selbe war so gut es eben möglich war mit Notbänken versehen und die allernotwendigsten guten Kleider und auch Lebensmittel in Kisten u. Holzkoffer untergebracht. Nun wurde die Gefahr von Tag zu Tag größer so daß wir gezwungen waren auch im Keller zu schlafen.
Mein Bruder Josef zimmerte tadellose Notbetten 5 Stück darin das Gewölbe durch die Mitte abgestützt und mußte nun auch da schlafen wenigstens teilweise. Die anderen machten jeden Abend ihre Betten in die Stube, vor wo die Fenster außen 3-4 mal doppelt mit dicken Bohlen zugestellt waren, so daß gegen Artilleriebeschuss fast sicher war. Im Keller waren Schlafstellen für die Mutter, Frau Helfen, unserem Karl Schwiegermutter, Pettich Lin (Anmerkung Otmar: Pettich = Hausname in der Nachbarschaft,
Lin = Magdalena Roth) , 2 Leute von Minden (Göbel) welche 2-6 Monate hier evakuiert waren, dann 2 Kinder von Helfen Karl und Schwager Peter seine Tochter und ich und meine Frau Angela. So begann nun im Dezember/Januar auch der Artelleriebeschuß aus der zurückgehenden Front aus Frankreich nach Luxemburg von wo aus wir dauernd mit Granaten beschossen wurden. Diese waren nicht so verheerend wie Bomben. Über das Ungewisse jede Sekunde könnte eine Granate einschlagen und auch treffen so daß man jede Minute mit der größten Gefahr bedroht war. Am 20. Januar feierten wir mit der ganzen Nachbarschaft Bettag im Keller was mir persönlich so schlimm es war sehr gut gefiel. Der Keller wurde immer besser eingerichtet rund um an den Wänden mit Sperrplatten bekleidet und ein schöner Dauerbrenner und mit elektrischem Licht ausgerüstet so daß es sehr behaglich darin war. Nun führte die fromme Helfensmutter und Pettich Lin auch ein, den Rosenkranz jeden Mittag nach dem Essen und jeden Abend vorm schlafen gehen zu beten was auch streng eingehalten wurde.

Weihnachten 1944

Am Weihnachtstage 25. Dez. 44 war nun der erste schlimme Angriff ungefähr 10 ½ Uhr vormittag gleich nach der Messe. Plötzlich setzten Flieger mit Bomben und Bordwaffen u. Artelleriebeschuß ein und niemand konnte sich mehr in Sicherheit bringen. Es ging so plötzlich so verheerend zu daß jeder dachte sein Letztes zu sein. Wir lagen fast alle in der Stube zwischen den Fenster auf dem Boden und alles krachte und donnerte und zum ersten male die Bordwaffen zischten andauernd es war schlimm.
So es nun ruhig war mußten wir alles geschehene besehen. Metzdorf Lorenz sein Haus und Büschet Sattler waren verschwunden in Metzdorf Haus 5 Tote und Büschet 4 Tote und im ganzen 17 Tote. Am anderen Tage mußten nun alle Schreiner Särge machen, auch ich machte 4 Särge für diese so traurig umgekommenen Leute.

Neujahrstag 1945

Der zweite schlimmste Tag der selben Art war Neujahrstag 1945 wo nun Helfens Haus getroffen wurde und Karl mit allen in der Küche auf dem Boden lagen und alle Splitter und Türen und Fenster über sie flogen es war so verheerend. Nun mußten wir auch Karl mit Frau und Suß (Susanne Hubert) unterbringen bis Karl nach sehr vieler Arbeit das Haus wieder etwas wohnlich die Vorderzimmer in Stand gesetzt hatte. Das schöne Schieferdach hat er so mit Not noch ausbessern können und die Hinterseite mit Brettern zugeschlagen weil es an allen Baumaterialien fehlte. Unter Artelleriebeschuß und Bomben hat er auf dem Dach gesessen es ausbesserte und zu machte. So waren nun die Rohre der Artellerie auch 2 mal jedesmal über ein Tag lang auf unser Haus gerichtet so daß man es kaum wagen konnte auf den Klo zu gehen und froh war wenn das Vieh gefüttert war. Im Keller fühlten wir uns etwas sicher aber die große Angst das obere Stock kommt gefallen war Tag und Nacht unsere Sorge. Es schlugen ein in Pettich ihrem Garten, hinter Schank in alle Gärten wo fast alle Bäume beschädigt waren. Dann in den Weg bei unserem Maschinenschuppen wo dieser erheblich kaputt war. Dann eine Granate mitten in die Bienen und eine in die Pappel dann in den Garten. Nun in die Vorderfront von Marbach, ganz herabgeworfen und eine gleich vorm Hause so daß alle Dächer kaputt waren und in 24 Fenstern fast alle Scheiben kaputt waren. Ich hatte mir noch Glas besorgt so daß ich fast alle Fenster wieder ausbesserte noch ein Teil mit Sperrholz und in der Werkstätte, Waschküche und Stall die unteren Scheiben mit Drahtglas.

So gab es jetzt jeden Tag neue Gerüchte daß die Amerikaner einrückten in Luxemburg. Die Männer an der Spitze von denen die aus Frankreich bis Welschbillig gelaufen kamen dann ganz geringe Truppenteile oft nur 10-20 Mann einer Einheit ohne Führung ohne Verpflegung die wie junge Herrgotten in Frankreich herumschwelgten und als es plötzlich brenzlig wurde hauten diese ab. Die USA rückte ständig nach nur in Luxemburg hauptsächlich Echternach dauerte es wochenlang bis es weiterging auch in Gegend um Aachen waren noch schlimme Kämpfe auch in Gegend Echternach setzten die Deutschen noch heftig Gegenwehr. Als dies sich wieder gesammelt und Nachschub besorgt war, aber es war vergebens die so ausgerüstete Macht dieser nichts im Wege was diese halten kann. Kein Panzergraben keine Panzersperre ist diesen den geringsten Aufenthalt. Ich glaube daß die deutsche Wehrmacht sich diesen Feind zu gering, man meint fast als Kinder vorgestellt haben, daß wenn diese an einen 2,80 Meter tiefen u. 3,50 Meter breiten Graben oder an eine Panzersperre kämen sich sagen würden: O Weh jetzt müssen wir umkehren es geht nicht mehr durch hier wir müssen zurück nach Amerika. Aber nein, lachend fuhren diese durch, oft ein schweres Gefährt was den Graben etwas zugestoßen hat von den  Seiten und dann glatt durchfuhren. Den ganzen Herbst über mussten alle Männer von 14-60 Jahren Graben machen, es ist wichtiger wie alle anderen Arbeiten sagten unsere Beamten und Parteimänner es wurden alle Hitlerjungen der Mosel vom Gau Koblenz, Zell und Cochem hergerufen welche uns die Felder kaputt machten, viele für wahrscheinlich immer nicht mehr brauchbar. Diese Jugend von Adolf waren so frech, stellten alles an, haben Hühner, Kaninchen und Fleisch gestohlen. Arbeiten ohne Führung da diese durch (? Wort nicht entziffert) nicht mehr genug Zeit hatten die Aufsicht zu führen.
Ein ganzes Kommando Polizisten war hier mit leichten Flaggeschützen eingesetzt um diese Bengel vor Fliegern zu schützen.

Die Amerikaner kommen

Auf einmal hieß es nun die Amerikaner kommen näher sind durch Luxemburg bis an der Grenze es wurde gemunkelt sind über die Sauer. Man wußte nichts richtiges, da die elektrische Leitung schon wochenlang kaputt war und nicht mehr herzustellen war und nichts vom Radio hören konnte, als plötzlich am 28.02.45 unsere Mädchen auf dem Speicher zum Fenster heraus sahen wie die USA breit ausgeschwärmt und unter Artelleriebeschuß die Lochen (Anm.: Flur oberhalb der Resterwiese) über Resterwiese (Anm.: Flur gleich hinterm Umweg, rechts der Pelzer-Mühle) herunter kamen. Es war einerseits ein etwas erregender Augenblick, den wir schon lange geahnt hatten nur bei den Parteimenschen nicht wissen durfte um nicht aufgehängt oder erschossen zu werden denn Göbels war immer noch fest am Radio ? (Anm.: Wort konnte nicht entziffert werden) (Wir siegen). Das Einrücken dieses Nachmittags war ziemlich ruhig. Es kamen nur verschiedentlich neue Truppen zur Besatzung welches alles ganz gut vorüberging aber es hätte sogar sehr gut ohne Klage gehen können wenn nicht unsere so berühmte und Adolf seine Lieblingswehr nicht das allerschlimmste im Feindesland gemacht hätte, und wollten die USA uns einen Wink geben wie es da zuging. Wir mußten 3x mit Mann und Maus heraus in einer Stunde oder auch nur ½ Stunde auch nicht in den Keller in die Kirche oder Schule hieß es. Nun habe ich mir oft mit vielen Bitten die Werkstätte erbeten dort zu bleiben was sie nun, weil kein Eingang ins Haus jedesmal erlaubt wurde.
Hier hausten wir nun mit der ganzen Familie und oft noch Nachbarn mit alles schlafen und wohnen. Weil wir nun möglichst alles retten wollten hatten unsere Mädchen Johanna, Fina, Kätti, Mutter und Bäbi so viel Arbeit mit plündern in die Waschküche unsere ganzen Sachen Betten (Bettbezug) Helfens ihre ganzen Sachen den Leuten von Minden ihr Sohn wo ein Wagen voll Gemöbels von (Pir) (Anm.: Pir = Peter Hubert vom Merteshof) Huberts Sohn und Familie Peters dem Schwiegersohn von Pir. Auch diese hatten wir längre Zeit hier bei uns, Pir und Bäb und ein kleines Kind waren im Hause und Nik. Peters mit Frau Kätti und 2 Buben in unserer  Waschküche. Die Waschküche war so voll belegt daß wir kaum Platz hatten uns darin zu bewegen und abends Platz machen mußten zum Schlafen, Ich sagte oft, so gut hatte ich es noch nie in meinem Leben, den Ofen gut stochern und dabei sitzen bleiben und durften zum Schlüsselloch herausschauen was draußen vorging.

Alle Plätze und Straßen waren mit Auto besetzt, das heißt an den zwei festgesetzten Stunden morgen 1 Stunde und abends 1 Stunde durfte die Straße benutzt werden zum Füttern. Auch habe ich mir ab und zu den Keller erbeten zum Schlafen wo wir dann mir 3 Mann mit geladenem Gewehr die 2 Schritte in den Keller geführt wurden da es außer der erlaubten Stunde war, und sonst Gefahr liefen bei Dunkelheit von den Straßenstreifen erschossen zu werden, welche schon immer an den Gewehren rappelten. So ging nun auch dieses vorüber und kamen auf Helenenberg einige hundert Mann Besatzung auch Schwarze dabei. Letztere kamen nun fast täglich nach Welschbillig und suchten alles aus nach USA Kleidung und Munition und waren besessen auf Brantwein. Sie nahmen diesen wo es eben zu nehmen war auch im Keller und den geheimsten Stellen. Motorrad und Fahrräder konnte man nicht genug verstecken. Augenblicklich ist es nun ruhig hier weil die Besatzung in Helenenberg fort ist.

Man spricht von der dauernden Besatzung von USA oder Belgier und sogar zivil Luxemburger, wir müssen abwarten und alles nehmen wie es kommt, ein erwidern und nicht machen gibt es wahrscheinlich auch hier nicht, es fällt uns aber auch nicht schwer, da wir von unserer alten Wehrmacht aber hauptsächlich von den Parteimenschen alles, auch das Allerstrengste gewohnt waren.

Jeder ich möchte sagen jeder Lump der einen Posten zu versehen hatte auf Büro und sonst handelte frech und eigennützig. Ein Beweis das ein fremder Lehrer von Ittel (nicht Soldat) hier Ortsgruppenleiter war und bei dem noch in deutscher Regie bei Schanzarbeiten mit gelber Uniform und Revolver an den Gräben vorbeimarschierten wo alle Männer jung und alt in Graben arbeiteten sogar Beamte und Geistliche standen unter diesem Lumpskommando und heißt daß er augenblicklich im Straflager sei, um nun seine Tüchtigkeit als Partei- und SA-Mann zu beweisen, zu bereuen und darüber nachzudenken.

Das dritte Reich

Das dritte Reich was ewig dauern sollte hatte aber nur kurze Lebzeit was aber Hitler zu verdanken ist, der nur nach seiner Idee und nach seinem Kopf regierte und niemand auch den besten General nichts ändern dürfen um nicht aufgehängt zu werden. Man schätzt den Feind zu gering aber drei Großmächte wie Amerika Russland und England, kaum ein Land wenn es auch pralerischer Weise Großdeutschland genannt, würde nicht auf Dauer widerstehen. Ein schönes, bei Friedenszeiten wunderschönes und geregeltes Vaterland ist nun wahrscheinlich für ewig verloren und tut einem sehr wehe sein Vaterland den Namen zu verlieren und unter anderes Regiement zu kommen. Das ist unserem allerberühmten Adolf ganz allein zu verdanken. Er wäre besser Anstreicher und Maurer geblieben. Er ist alles schuld alle Männer und Söhne zu verlieren alle Städte zu vernichten wie er sagt vom Ausland ausradieren und so hat er seine Städte ausradiert bekommen und augenblicklich wo es in aller Nähe um Berlin Russen und Amerikaner sich treffen, siegen die paar Deutschen welche da zusammengedrängt sind noch immer, daß heißt die nicht welche mit tausenden in Gefangenschaft laufen.

Nun wieder zu meinem Haus zurück. Mein Sohn Karl welcher als Eisenbahner in Rußland war mußte urplötzlich ohne noch um sich zu greifen abhauen, zu Fuß laufen bis eine Fahrgelegenheit war und 3 Tage ohne zu essen nach Hause kam. Meine anderen Söhne Johann, Willi u. Otto sind in Rußland gewesen. Thomas welcher zum zweiten mal eingezogen ist und Martin wissen wir nicht wo diese sind. Es geht z. Zeit gar keine Post und keinerlei Verkehr, alles ruht und sind wir in größter Besorgnis um diese 5 Söhne und diese bestimmt nicht minder um uns und ihre Heimat. Die am Radio, wenn sie noch etwas hören die Frontbeschreibung Echternach und Sauer und sogar Welschbillig genannt wurde was noch alles steht oder niedergeschossen ist.

Augenblicklich ist es nun ganz ruhig hier. Das Kellerleben hört auf, haben unsere Schlafzimmer wieder belegt. Ungestört und ohne Angst lassen wir die andauernde oft den ganzen Tag über, die Flieger sehr tief über uns fliegen und müssen das Kommende abwarten.

Noch vergessen habe ich zu erwähnen daß an 2 Tagen die ersten Tage unserer neuen Einquartierung die Deutschen ihre Geschütze umgedreht haben und in allernähe Welschbillig noch uns getroffen haben und noch am letzten Tage wieder und große Schäden angerichtet auch noch einige Treffer in die Kirche wo auch schon die USA die Turmspitze abgeschossen hatte. Die Geschütze standen zu beiden Seiten, erst die Deutschen und am anderen Tage die amerikanischen unmittelbar nun den Ort Welschbillig auf Schilzenburg, Umweg, auf der Tonn usw., sogar auf Geid so daß der Abschuß sehr krass war und im Keller jedesmal meinte das Haus wäre mitgeholt und alles zitterte. Bei uns dauerte der Beschuß von allen Seiten Amerikas etwas länger, da dass Kylltal etwas schwierig war, die hohen steilen Berge und hatten die Deutschen sich noch etwas gestellt, bis dieses Tal überstiegen war ging es mit großen Schritten auf Berlin zu.

(Ende)